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Der Vater Richard von Weizsäckers: Ernst Heinrich von Weizsäcker

Ernst Heinrich Weizsäcker wurde am 25. Mai 1882 als zweites Kind von dem Juristen Karl Hugo Weizsäcker und Paula Weizsäcker (ehemals von Meibom) in Stuttgart geboren. Neben seinem älteren Bruder Carl Victor Weizsäcker (1880 - 1914), hatte er noch zwei weitere Geschwister, Viktor Weizsäcker (1886- 1957) und Paula Weizsäcker (1893- 1933).  Als Karl Hugo von Weizsäcker im Februar 1926 starb, hatte die Familie einen klaren politischen Standpunkt, sie waren nicht für die Demokratie, sondern für einen monarchisch geführten Staat, sprachen sich jedoch für den Frieden aus.

Nachdem Ernst von Weizsäcker sein Abitur absolviert hatte, trat er am 7. April 1900 als Seekadett in die Kaiserliche Marine ein. In seiner dreieinhalbjährigen Ausbildung war er besonders oft in Asien. Nach seiner Ausbildung arbeitete er Großteils in Europa. In seiner zwanzigjährigen Laufbahn wurde er mehrere Male befördert und 1917 mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet.

Im Jahr 1911 hatte Ernst von Weizsäcker Marianne von Graevenitz (1889-1983) geheiratet. Die beiden bekamen fünf Kinder: Carl Friedrich (1912-2007), er war ein Physiker und Philosoph; Ernst Viktor (*/+1915); Adelheid (1916-2004), sie heiratete Botho-Ernst Graf zu Eulenburg-Wicken; Heinrich (1917-1939), er ist beim Überfall auf Polen in der Nähe seines Bruders Richard gefallen; Richard (1920-2015) wurde später Bundespräsident von Deutschland. Seiner Familie gegenüber verhielt sich Ernst von Weizsäcker meistens sehr verschlossen.

Beruflicher Werdegang

Im Jahr 1920 wurde Ernst von Weizsäcker probeweise in das Auswärtige Amt übernommen, obwohl er nicht über das nötige Studium oder Examen verfügte. Diese Übernahme lässt sich auf die schwierige Personalsituation nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zurückführen. Zwischen 1921 und 1933 wurde Ernst von Weizsäcker viel in Europa eingesetzt. Sein Ziel war es mitmachen und mitgestalten zu können.1937 wurde Weizsäcker offenbar auf Hitlers Wunsch zum Ministerialdirektor ernannt. Am Anfang des darauffolgenden Jahres wurde er durch Joachim von Ribbentrop zum Staatssekretär des Auswärtigen Amts ernannt. Dieses Amt nahm er nach eigenen Aussagen an, da er durch außenpolitische Obstruktion einen Krieg verhindern wollte. 

Am 1. April 1938 trat Ernst von Weizsäcker der NSDAP bei. Zudem wurde er am 20. April desselben Jahres als ehrenhalber SS-Oberführer in die Allgemeine SS aufgenommen und am 9. November des Jahres fand seine offizielle Vereidigung als SS-Führer statt. Im September 1938 ermöglichte Ernst von Weizsäcker mit der Hilfe anderer Politiker das Münchener Abkommen, welches einen Krieg verhindern sollte. Aber als der Überfall auf Polen kurz bevorstand und ihm bewusst wurde, dass er den Krieg, gegen den er sich bereits seit Anfang der 1930er aussprach, nicht mehr verhindern konnte, bot er seinen Rücktritt an; dieser wurde allerdings von Hitler abgelehnt.

Trotz Weizsäckers Haltung gegen einen Krieg lassen sich ihm auch Äußerungen, in denen die Idee des “Lebensraum im Osten” mitschwingt, nachweisen. Bei dieser Idee handelt es sich um die “germanische” Besiedlung von Gebieten außerhalb der deutschen Grenzen. Zudem war er spätestens zum Zeitpunkt der Wannsee Konferenz, an der sein Unterstaatssekretär 1942 teilnahm, über die Ziele der Judenpolitik im Dritten Reich informiert. Bevor Ernst von Weizsäcker sein Amt im Juni 1943 niederlegte, wurde er mit mehreren Auszeichnungen der SS geehrt. Am 24. Juni 1943 wurde auf eigenen Wunsch zum deutschen Botschafter beim Heiligen Stuhl in Rom ernannt. In Rom blieb Weizsäcker bis 1946, dort war er sicher, als er aufgrund “seiner Friedenspolitik” des Hoch- und Landesverrats beschuldigt wurde. Eine Verhaftung war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich, da der Vatikan durch die alliierte Front von Deutschland getrennt war. 

Prozess und Verurteilung

Bei den Nürnberger Prozessen ging es in erster Linie darum, die schuldigen Politiker, Militärs und Organisationen für ihre Taten im zweiten Weltkrieg zu bestrafen. Neben dem Prozess gegen die “Hauptkriegsverbrechen”, geführt von Frankreich, Großbritannien, der Sowjetunion und  Amerika vom 20. November 1945 bis zum 1. Oktober 1946, bei welchem auch Ernst Heinrich von Weizsäcker freiwillig und unter dem Schutz Papst Pius des XII. und Frankreichs als freier Zeuge aussagte, gab es auch noch zwölf “Nebenprozesse” die von 1946 bis 1949 andauerten und alleine von den Amerikanern geführt wurden. Später wurde auch Ernst von Weizsäcker 1947 von den Amerikanern verhaftet und als Kriegsverbrecher im Wilhelmstraßen-Prozess, der vom 15. November 1947 bis zum 12. Dezember 1949 andauerte, angeklagt. Es handelte sich hierbei um den längsten und ausführlichsten Prozess, welcher diesen Namen  trägt, da das Auswärtige Amt genau wie die anderen nationalsozialistischen Dienststellen, welche ebenfalls angeklagt wurden ihre Büros in der Wilhelmstraße in Berlin hatten. Insgesamt wurden bei den Prozessen 209 Nationalsozialisten angeklagt und 36 sogar zu Tode verurteilt. Ernst von Weizsäcker wurde am 14. April 1949 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu sieben Jahren Haft im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg verurteilt, da er Papiere für die Deportation französischer Juden in das Konzentrationslager Auschwitz unterzeichnet hatte. Von dem Großteil der damaligen deutschen Gesellschaft wurde besonders das Urteil über Ernst von Weizsäcker mit Unverständnis aufgenommen. Er erklärte später vor Gericht, dass er dachte, mit einer Unterzeichnung der Deportationspapiere die französischen Juden zu schützen, da sie sich ohnehin schon Gefahr befanden und sie dadurch an einen Ort kommen würden, an dem es für sie sicherer wäre. Des Weiteren erklärte er, dass der Name Auschwitz damals noch für niemanden etwas bedeutete. Obwohl der Richter dies bezweifelte, wurde bei einer erneuten Untersuchung das bereits gesprochene Urteil von sieben Jahren Haft auf fünf Jahre durch eine Strafmilderung verkürzt. 

Richard von Weizsäcker war der Hilfsverteidiger von Sigismund von Braun und plädierte auf die vollkommene Unwissenheit und Unschuld seines Vaters, auch Landespolitiker bemühten sich um seine Begnadigung. Sie hatten Erfolg, sodass die Haftzeit Ernst von Weizsäckers nach Verbüßung von eineinhalb Jahren Haft verkürzt schon am 16. Oktober 1950 endete.

Aber er erlag bereits ein Jahr später am 4. August 1951 den Folgen eines Schlaganfalls in Lindau am Bodensee. Der spätere Bundespräsident bezeichnete das Urteil später immer als „historisch und moralisch ungerecht”, denn es lagen dem Gericht zur Zeit des Urteils nicht alle heute bekannten Dokumente vor. Richard von Weizsäcker wurde später immer wieder wegen der Verteidigung seines Vaters und der damit in Verbindung stehenden Werte stark kritisiert.

Unsere Einschätzung

Ob Ernst von Weizsäcker nun ein Nazi oder eher ein "Antinazi" war, lässt sich heute schwer feststellen. Sicher ist auf jeden Fall, dass er gegen den Krieg war, welchen die meisten Nazis herbeisehnten, und diesem sogar mit Hilfe des Münchener Abkommens ganz aus dem Weg zu gehen versuchte. Ernst von Weizsäcker wollte bereits nach Beginn des Krieges sein Amt niederlegen, wurde jedoch von Hitler aufgehalten. Es spricht also auch sein darauffolgender, vergeblicher Versuch dagegen, um Schlimmeres zu verhindern durch das Beibehaltens seines Amtes die Wiederherstellung des Friedens zu erlangen, ihn tatsächlich zu den Nazis zu zählen. Im Gegensatz dazu stehen jedoch seine Unterschrift auf den Deportationspapieren der französischen Juden und die Tatsache, dass sein Versuch den Frieden wieder herzustellen kläglich scheiterte. Die Nazis selber, genauer gesagt Joachim von Ribbentrop, sahen ihn ab 1943 sogar als Hochverräter an. 

In seiner Rede vom 8. Mai 1985 zum 40. Jahrestags des Kriegsendes betont Richard von Weizsäcker die Wichtigkeit von Freiheit, Frieden, Recht und Gerechtigkeit. Diese Wertvorstellungen lassen sich nicht mit denen des Dritten Reichs und auch nicht mit den Taten seines Vaters, der zwar stets versucht hat den Frieden zu bewahren, aber dennoch nicht unschuldig war, vereinbaren. Dementsprechend passt die Verteidigung von Ernst von Weizsäcker durch seinen Sohn nicht zu dessen Werten. 

Zudem stand Richard von Weizsäcker in einem menschlichen Konflikt, wenn es um die Beurteilung der Schuld seines Vaters geht. Auf der einen Seite handelt es sich um seinen Vater, der ihn großgezogen hatte, von dem man nicht glauben möchte, dass er zu solch schrecklichen Taten fähig war. Dazu kommt, dass es schwierig ist, das Verhalten einer nahestehenden Person objektiv zu beurteilen. Auf der anderen Seite stehen seine Moralvorstellungen, von Gleichberechtigung und Demokratie.  

Die Beziehung zwischen Ernst von Weizsäcker und seinem Sohn Richard von Weizsäcker war kompliziert, denn der Vater war schon immer verschlossen gegenüber seinen Kindern. Doch nach dem Krieg benutzte er seine Verschlossenheit gezielt als Selbstschutz, um dem Misstrauen aus dem Weg zu gehen. Richard von Weizsäcker traf seinen Vater das erste Mal nach dem Krieg in Nürnberg, wo dieser als Zeuge für den sogenannten Hauptkriegsverbrecherprozess aussagen musste. Er fuhr dorthin, um sich eine eigene Meinung über seinen Vater zu bilden. Ihm wurde klar, dass sein Vater immer noch schwer getroffen von der Kriegszeit war. Schließlich war es für ihn umsonst gewesen, sich gegen die Gewalt zu wehren und zu versuchen den Lauf des Krieges zu verkürzen. Normalerweise versuchte er seine Gefühle zu verstecken, doch bei diesem Treffen überkamen sie ihn.             

Als er 1947 angeklagt wurde, unterbrach Richard von Weizsäcker sein Jurastudium, um als Assistent der Verteidigung für seinen Vater zu arbeiten.

Richard von Weizsäcker leugnete nie, dass sein Vater für Hitler gearbeitet hat und auch von manchen schlimmen Geschehnissen wusste, jedoch legte er mehr Wert auf die guten Taten seines Vaters. Schließlich hatte er nie vor, die Tätigkeiten seines Vaters zu beschönigen, allerdings wollte er alle Fakten mit den Menschen teilen, damit auch sie sich eine bessere Meinung bilden können. Somit wollte er nicht sagen, dass sein Vater das Bestmögliche getan hat um das alles zu verhindern, aber er wollte damit hervorheben, dass sein Vater auch anders gehandelt hat, um den Prozess des entstehenden Krieges zu verlangsamen und die Situation zu entschärfen. Außerdem wollte Richard von Weizsäcker mit manchen Fakten (zum Beispiel, dass die Menschen früher auch nicht zwingend die Chance hatten, sich zu entscheiden, welche Meinung sie vertreten wollen) nicht das Verhalten seines Vaters entschuldigen, sondern damit für Aufklärung sorgen. Denn er war überzeugt, dass sein Vater nur im Amt blieb, um zu versuchen den Frieden möglichst zu bewahren.

In der Zeit, in der Richard von Weizsäcker seinem Vater vor dem Gericht half, entstand durch das tägliche Zusammensein eine tiefe innere Bindung zwischen ihnen.

 

Kim Kuhlmann, Anna Rosenau und Hannah Schulte, BGW95

Quellen: 

https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_von_Weizs%C3%A4cker

https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_von_Weizs%C3%A4cker#Leben_und_berufliche_Entwicklung

https://www.wikiwand.com/de/Weizs%C3%A4cker

https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelmstra%C3%9Fen-Prozess

https://www.lpb-bw.de/nuernberger-prozesse

https://www.sz-photo.de/result_webshop/wilhelmstrassen-prozess-04111947-13041949/dossier-1.607723

Geschichte der Familie von Weizsäcker

Der Vater

Die Kindheit

RvW und der 2. Weltkrieg

RvW als Jurist

Die Familie

RvWs Zeit in der Wirtschaft

RvW als Präsident des Ev. Kirchentags

RvW als Reg. Bürgermeister von Berlin

RvW als Bundespräsident